Wölfe, Not und Tod – Nüdlingen im Dreißigjährigen Krieg

Krieg gehört wohl zum Schlimmsten, was einem Land und seinen Bewohnern widerfahren kann. Vermutlich noch schlimmer ist die Erkenntnis, das sich seit 400 Jahren in Sachen Krieg nichts geändert hat.

Der Dreißigjährige Krieg (1618 -1648) ist eine komplexe Sache und ihn auf ein paar Sätze zu reduzieren, ohne seinen furchtbaren Ausmaßen gerecht zu werden, ist nahezu unmöglich. Im Grunde war es ein Krieg zwischen Katholiken und Protestanten, der sich immer weiter verschärfte und ausbreitete. Dazu kamen Macht-Streitigkeiten zwischen Österreich, Spanien Frankreich und Schweden. Ausgetragen wurde der Krieg hauptsächlich auf dem Gebiet der deutschen Länder. Bis zu einem Kriegsvölkerecht mit Genfer Abkommen sollten noch knapp 300 Jahre vergehen. Überleben war die Devise, egal wie.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung fristete ohnehin ein eher karges Dasein. 96 % aller Bauern waren unfrei und von einem Grundherren abhängig. Es gab keine Schulpflicht und die wenigsten konnten lesen und schreiben, der Aberglaube war weit verbreitet.

 

Ein Blick nach Nüdlingen: 

Es gehörte zum Land des Würzburger Bischofs. Als Katholik war er ein erbitterter Feind der Protestanten. In der ersten Hälfte des Krieges blieb Franken noch vom Krieg verschont. Desto stärker litt es in der zweiten Hälfte unter den Schwedenkriegen.

Eine Zusammenfassung aus der Nüdlinger Chronik:

Nach dem Dürrejahr 1623 hungerten die Leute und ernährten sich von gekochtem Laub und Gras. Der Tod ist ein ständiger Begleiter. Rudel von Wölfen machen die Fluren unsicher.

Am 20. September 1632 quartierten sich schwedische Regimenter von Fulda kommend in den Ortschaften des Amtes Trimberg ein, zu dem Nüdlingen gehörte. Gräueltaten und Verwüstungen waren an der Tagesordnung.

Das Jahr 1633 ist ein Jahr des Hungers, der Gräuel und des Jammers.

1634 wütete in Kissingen und Umgebung wieder die Pest. Schon vorher hatte sie ein Drittel der Stadtbevölkerung dahingerafft (um 1650 verzeichnet die Stadt nur noch 110 Namen). Es waren einmal an die 900 Bürger.  Ständig wurden Soldaten einquartiert.

1637 gab es eine weitere Missernte, gefolgt von Hunger. Dazu kamen immer wieder Plünderungen seitens der feindlichen Soldaten. Es gibt keinen Ochsen mehr, kein Pferd und die Felder verwandeln sich in Ödland, heißt es. Wölfe fallen über die wenigen Schafe her, die noch da sind. Man sagt, bei der Schwarzen Pfütze habe ein Bursche seinen Weggefährten wegen einer Ratte erschlagen.  Das ist noch eine vergleichsweise harmlose  Geschichte aus dieser Zeit.

1639 wird Nüdlingen in Brand gesteckt. Zwei Jahre später wird Münnerstadt belagert und was von den umliegenden Dörfern noch steht, wird zerstört.

150 Nüdlinger Häuser stehen 1641 in Flammen, fast das gesamte Dorf. Darunter der alte Pfarrhof. Unschätzbare Dokumente, Kirchenbücher und Aufzeichnungen werden ein Raub der Flammen. Und immer wieder folgen neue  Einquartierungen.

1645 kommt eine alte Bekannte zurück – Die Pest. Im selben Jahr will Schwedenoberst Reichwald Kissingen einnehmen. Angeblich schlug der Kissinger Bürger Peter Heil die Schweden mit seinen Bienenkörben in die Flucht, welche die Verteidiger von der Stadtmauer warfen. Eine Sage, der man gerne Glauben schenken möchte, bringt sie zumindest einen humorigen Lichtstrahl in diese freudlose Zeit. Zu allem Übel erfroren in Nüdlingen im letzten Kriegsjahr auch noch alle Weinberge.

Das ganze Desaster endete 1648 mit dem Westfälischen Frieden. Man schätzt, dass etwa 40% der Landbevölkerung dem Krieg und den Seuchen zum Opfer gefallen waren.

Ein rührendes Zeugnis des Dreißigjährigen „Kriegswahnsinns“ sind die Worte des zeitgenössischen Dichters Andreas Gryphius. Es handelt sich um die Grabinschrift seiner Nichte Marianne, die nur einen Tag lebte. Ein einziger Tag, an dem ihr das Grauen der ganzen Welt begegnete. 

Hier im barock-deutschen Original:

„Gebohren in der Flucht, umbringt mit Schwerd und Brand

Schir in dem Rauh erstückt, der Mutter herbes Pfand 

Des Vaters höchste Furcht, die an das Licht gedrungen

Als die ergrimmte Glutt mein Vaterland verschlungen.

Ich hab dise Welt beschaut und bald gesegnet:

Weil mir auf einen Tag all Angst der Welt begegnet.

Wo ihr die Tage zehlt, so bin ich jung verschwunden

Sehr alt, wofern ihr schätzt, was ich für Angst empfunden. „

(Bildquellen: Wikipedia, gemeinfrei; Modell-Szene im Armeemuseum Stockholm; Faksimile des Westfälischen Friedens)

(Text: Hubert Ziegler, Gemeindebücherei)